Eine wesentliche Quelle von Sicherheitsrisiken im heutigen Verkehr ist menschliches Fehlverhalten. Auch künftige automatisierte Fahrzeuge werden über Jahre oder Jahrzehnte im sogenannten Mischverkehr mit menschlichen Fahrern interagieren.

Deshalb müssen sie in der Lage sein, entsprechendes Fehlverhalten zu kompensieren, und in jeder Situation sicher zu reagieren. Um die dazu benötigten Technologien zu entwickeln und sicher erproben zu können, muss menschliches Verhalten damit auch in Simulationen abgebildet werden.

Circa 95 % der heutigen Straßenverkehrsunfälle sind auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen.
Quelle: C. Gelau, T. Gasser und A. Seeck, „Fahrerassistenz und Verkehrssicherheit“ in Handbuch Fahrerassistenzsysteme, 2009, S. 24-32.

Daten zu menschlichem Fahrverhalten

Deshalb werden im AVEAS-Projekt unterschiedliche Methoden entwickelt und verglichen, die eine effiziente und datenschutzsichere Erhebung von Verkehrsverhaltensdaten ermöglichen – mittels Kamera-, LiDAR- und Radar-Daten sowohl von stationären Messsystemen, von Fahrzeugen im fließenden Verkehr, wie auch von Ultraleichtflugzeugen, wobei jeder Ansatz spezifische Vorteile und Herausforderungen für die anschließende Weiterverarbeitung mit sich bringt.

Die Methoden werden zur Erhebung an ausgewählten Schlüsselorten im Verkehr eingesetzt, etwa an polizeilich dokumentierten Unfallhäufungspunkten, um gezielt kritische Situationen zu erheben. Für die so gewonnenen, verschiedenartigen Daten werden dedizierte Pipelines zur teilautomatisierten Prozessierung entwickelt, um von den erwarteten umfangreichen Sensorrohdaten-Umfängen effizient auf klassifizierte Objekte mit kartenreferenzierten Bewegungstrajektorien zu schließen.

Arbeitsplan des AVEAS-Projekts.

Daten zu technischen Risiken

Aber nicht alle Risikoquellen für zukünftige automatisierte Fahrzeuge finden sich bereits im heutigen Realverkehr. Neben menschlichem Fahrverhalten liegen Risiken auch in der Technologie automatisierter Fahrzeuge selbst – genauer gesagt darin, wie sie sich von menschlichen Verkehrsteilnehmern unterscheiden.

Das AVEAS-Projekt betrachtet zwei dieser Risikoquellen:

  • Risiken, die durch die andersartige Umgebungswahrnehmung automatisierter Fahrzeuge entstehen.
  • Risiken, die entstehen, weil Mensch und KI während der Fahrt die Fahrverantwortung wechseln können – jeweils sowohl auf Initiative der KI oder des Menschen.
Automatisierte Fahrfunktionen sind auch von Risiken betroffen, die im rein menschlichen Verkehr grundsätzlich nicht auftreten.
Datenquellen: National Transportation Safety Board, Collision between a Car Operating with Automated Vehicle Control Systems and a Tractor-Semitrailor Truck near Williston, Florida, 2016. Mapillary / Florida Department of Transportation

Dazu werden gezielte Erhebungen entsprechender Daten unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt:

Unterschiedliche Sensortypen werden unter herausfordernden Wahrnehmungsbedingungen erprobt um daraus Simulationsmodelle der Systemgrenzen abzuleiten.

Probandenstudien in Fahrsimulatoren ermöglichen es, Konzepte zur Mensch-Maschine-Interaktion, etwa die Übernahme der Fahrverantwortung, systematisch zu erheben.

Risiken gleichzeitig im Blick behalten

Diese drei Risikoquellen (menschliches Fahrverhalten, technische Wahrnehmung und Faktoren der Mensch-Maschine-Interaktion) wirken nicht unabhängig voneinander. Der tragische Unfall eines Tesla Model S mit einem Sattelzug im Mai 2016 in Florida, der als erster Unfall eines Fahrzeugs im rein automatisierten Betrieb gilt, ist nur ein Beispiel dafür, wie erst das Zusammentreffen einzelner Faktoren aus diesen drei Risikoquellen zum Auslöser schwerer Unfälle werden kann.

Um entsprechende Risikofaktoren aus der Sicht komplexer Gesamtsysteme beschreiben und analysieren zu können, ist unter anderem die Norm ISO 21448 (Road vehicles: Safety of the intended functionality, dt.: Straßenfahrzeuge: Sicherheit der Sollfunktion).

Die Vermeidung dieser Risiken in zukünftigen automatisierten Fahrzeugen im Zuge eines systematischen, simulationsgestützten Ansatzes erfordert umfangreiche Realdaten entsprechender kritischer Situationen.

Das Projekt AVEAS soll Methoden entwickeln, diese Daten effizient und sicher zu erheben und zu nutzen.